Mit Holz und Haut
Mit Holz und Haut
Robert Puczynski arbeitet nahezu ausschließlich mit Holz, dessen Beschaffenheit und jeweils spezifischen Qualitäten jenen Ausgangspunkt bilden, an dem sich die Inspiration für die formale und im Weiteren die inhaltliche Ausrichtung seiner Skulpturen „entzündet“.
Diese Beobachtung gilt zumindest für die künstlerische Produktion der letzten sechs Jahre, die seit unserer ersten Begegnung, 2001, vergangen sind. Damals versammelte ich unter dem Titel „Schule ohne Eigenschaften“ eine Auswahl an stilistisch höchst unterschiedlichen Arbeiten von Absolventen beziehungsweise Studenten der Meisterklasse Ölzant in einer Ausstellung, die als Hommage an den gerade emeritierten Akademieprofessor gedacht war. Als Lehrer eher dem „Laisser-faire“ als dem „Meisterklassendenken“ verpflichtet, hatte es Franz Xaver Ölzant, dessen kompaktes Oeuvre sich selbst in einer reizvollen Vielgestalt verwirklicht, anders als so mancher Professorenkollege vermieden, das eigene Werk in den Arbeiten seiner Schüler fortsetzen zu wollen. Vielmehr konnten sich in seinem Umfeld auch generationsbedingte Verlagerungen von Interessen bzw. Zielsetzungen behaupten und wurden von ihm, wenn schon nicht initiiert und gefördert, zumindest akzeptiert. Das fruchtbare Ergebnis seiner Toleranz lässt sich in der Eigenständigkeit einer ganzen Künstlergeneration verfolgen, deren Vertreter sich heute zum Teil in den traditionellen Medien der Bildhauerei und Plastik realisieren, in einigen Fällen aber auch in die Bereiche Grafik, Fotografie und Neue Medien gewechselt sind.
Aus diesen akademischen Wurzeln – Robert Puczynski hatte bereits 1995 mit einer aufwändigen bleibeschlagenen Raumskulptur aus Erlenrinde diplomiert – entwickelte der Bildhauer in der Folge eine Formensprache, die in Fortführung der klassischen Moderne auf der Abstraktion anthropomorpher Vorstellungen basiert.
Mit der Figurengruppe „Drei“ wurde er der Herausforderung souverän gerecht, sich mit einem einzigen Werk in der bereits eingangs erwähnten, spannenden und höchst pluralistischen Meisterklassen-Präsentation zu profilieren. Aus entrindeten Kirschbaumscheiben gefertigt, deren Segmente aneinandergereiht in sphärisch verzogene Zinnrahmen gefasst sind, beeindruckt die Arbeit nicht nur aufgrund ihrer für einen Innenraum monumentalen Ausmaße. Anstatt beliebige Formvorstellungen auf ein mehr oder weniger widerständiges Material zu projizieren, scheinen diese hier aus den spezifischen Qualitäten des Werkstoffs herausgeschält, freigelegt, um schließlich in ihrer neuen Körperlichkeit eine logische Konsequenz gefunden zu haben. Darüber hinaus gelingt es dem Künstler durch die räumliche Konstellation der „Drei“ zueinander eine psychologische Atmosphäre der Spannung zu erzeugen: zwischen der in sich abgeschlossenen Gruppe einerseits und dem Betrachter andererseits, der seine Position in dem hermetischen Gefüge erst finden muss.
Diesem Hauptwerk verbindet sich eine Reihe von verwandten Einzelfiguren, wie „Schlange“, „Er“, „Es“, welche die hier erstmals erprobten Ideen in mehr oder weniger bewegten Variationen durchspielen, wobei trotz allen Formgefühls und aller Perfektion der fein differenzierten Oberflächenbehandlung ein Grad an Rohheit und Unmittelbarkeit des Arbeitsprozesses bewahrt wird, der verhindert, dass die Skulpturen ins Designhafte abgleiten.
Mit „Little Elephant“ von 2003 widmet sich Robert Puczynski erstmals dem Thema der Metamorphose und erweitert damit nicht nur sein inhaltliches Repertoire um einen fruchtbringenden Aspekt, er entwickelt an dieser Aufgabe Möglichkeiten für einen experimentelleren Umgang mit neuen Materialien. Die Oberfläche des 90 cm hohen, leicht ausschwingenden, zarten Birnenholzstammes teilt sich optisch in eine untere, geglättete und in eine obere, kleinteilig-poröse Hälfte, die bei genauer Betrachtung ihre Bestandteile, feinste in Kunstharz gegossenen Hobelscharten, erkennen lässt. Was auf den ersten Blick als intakte Naturform mit lediglich unterschiedlich behandelten Oberflächen erscheint, enthüllt sich als Transformation von Eigenschaften ein und desselben Materials, dass nun doch nicht mehr das gleiche ist.
Seinen vorläufigen Höhepunkt findet diese Idee der Verwandlung in einer Serie von Latexabformungen grober Baumrinden, den „Skins“. Lapidar zeitgenössische „Partialportraits“, die trotz ihrer weich/warmen Oberflächen eher wie die abgezogene Haut des Heiligen Bartholomäus schlaff von den Wänden hängen: Vera Ikon der geschundenen Natur, vielleicht auch im Gedenken an den allzu selbstbewussten Faun Marsyas, dem sein siegreicher Widersacher Apoll ein ähnliches Schicksal bescherte.
Ursprünglich handelt es sich bei diesen Arbeiten um Nebenprodukte, wie sie bei der Herstellung von Glasreliefs anfallen, die im äußersten Kontrast zur Textur gewachsener Rindenstrukturen in kaltem, zerbrechlichen Material wiedergeben werden. Dass sie überlebt haben, verdanken die „Häute“ neben den formalen Reizen vor allem dem Umstand, dass sie im Gesamtzusammenhang als Metaphern des Übergangs von einem Zustand in den anderen stehen: In ihnen treffen End- und Ausgangspunkt der Metamorphose zusammen.
Andrea Jünger-Rychlik